Es ist eingerichtet

Sicht- und erlebbarer Teil der Baustelleneinrichtung sind vor allem die Verkehrsführung sowie umfassende Schutzmassnahmen gegen das, was jede Baustelle begleitet: Lärm und Schmutz.

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Im Leistungsverzeichnis füllen die Positionen für die Einrichtung der Baustelle rund 30 DIN-A4-Seiten. Diese Vorarbeiten sind leicht zu übersehen, da vieles von dem, was die Funktionalität der Baustelle sicherstellt, entweder selbstverständlich scheint – wie Ausgangs- und Eingangsbereiche, Baubüros, Sanitäranlagen – oder unsichtbar ist, wie Bauwasser- und Baustrom-Anschlüsse. Orts- und projektspezifisch wird über diese Grundinfrastruktur hinaus definiert, welche Sicherheits- und Schutzmassnahmen noch einzuhalten sind.

Am Guisanplatz sind dies: Massnahmen zur Reduktion der Emissionen; lärmintensive Arbeiten sollen möglichst während der Schulferien durchgeführt werden; ausserdem sind lärmintensive Arbeiten effizient und konzentriert phasenweise zu bündeln. Damit die Lastwagen während des Baugrubenaushubs die Strassen im Wohnquartier nicht massiv verschmutzen, werden im Baustellenperimeter Baupisten angelegt und an der Ausfahrt aus dem Gelände eigens eine Radwaschanlage installiert. Die Baustelleninstallation dauerte rund sechs Wochen und ist zwischenzeitlich abgeschlossen.

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«Man sieht nicht, was ich mir alles dabei gedacht habe»

Doris Däpp hat zwei Jahre lang die Baustellenerschliessung rund um den Neubau von Gebäude D entwickelt. Wie so oft zeigt sich erst im Alltag, wo die Bauingenieurin ihre Verkehrsplanung optimieren muss, welche Änderungen zweckmässig sind und wo es sicherheitsrelevant wird. Ein Gespräch über Zusammenhänge und Zwänge in einem agilen System mit vielen Beteiligten.

Doris Däpp, vor fünf Monaten haben die Bauarbeiten begonnen. Wie viele Male mussten Sie Ihr Konzept zur Verkehrserschliessung der Baustelle schon anpassen?

Es gab im Vorfeld eine längere Planungsphase mit Bauherrschaft, Behördenvertretern von Stadt, Kanton und Bund, Bernmobil und Quartier-Organisationen. Wir haben versucht, der ausführenden Baufirma, die damals noch gar nicht bekannt war, Optionen offenzulassen. Im Grossen und Ganzen läuft es gut. Aber es ist auch noch nicht die intensivste Zeit für den Baustellenverkehr. Ob’s verhebt, sehen wir erst, wenn ab Juli die Baugrube ausgehoben wird und der Aushub abtransportiert werden muss. Wir haben das Glück, dass wir im Verlauf der Rückbauarbeiten die Verkehrsflüsse gut beobachten können. Wir passen seit Ende Januar ständig an, optimieren und hinterfragen situativ.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Es war angedacht, die Zufahrt zu der Baustelle so zu organisieren: Anfahrt entlang der Nordseite vom Stadion Wankdorf über die Sempachstrasse, abbiegen nach links in den Baustellenperimeter, überwiegend wegfahren nach rechts über die Papiermühlestrasse. Nun wird klar, dass diese Ausfahrt nicht für jeden Fall und für jedes Fahrzeug die naheliegendste Lösung ist, weil auf der Papiermühlestrasse mehrere Aspekte berücksichtigt werden müssen – Wegfahrt gemäss Auflage des Kantons nur ausserhalb der Spitzenzeiten des Berufsverkehrs, Tramverkehr, links abbiegen ist verboten, rechts abbiegen bedeutet einen längeren Weg zur Autobahn. Wie die Verkehrsdienste auf der Sempachstrasse ideal eingesetzt werden können, testen wir regelmässig aus und versuchen, mit den Quartiervertretungen eine gute Lösung zu erzielen.

Was ist dort das Thema?

Im Teilabschnitt der Sempachstrasse auf Höhe des Stadions haben wir die Polleranlage dauerhaft abgesenkt und den Streckenabschnitt mit Fahrverbot belegt, Ausnahmen gelten für berechtigte Anwohner und den Baustellenverkehr. Nun gibt es immer wieder Autofahrer, die denken: Ist praktisch, ist der kürzeste Weg, ich fahre schnell durch. Und am Ende des Abschnittes sagen sie zu den Verkehrsdiensten dann: «Jetzt lohnt es sich nicht mehr umzukehren, lass mich doch schnell durch …»

Welche Aufgabe hat der Verkehrsdienst?

Die Hauptaufgabe ist, die schwachen Verkehrsteilnehmer zu schützen – also Kinder, Velofahrer, Fussgänger. Ausserdem regeln sie den Baustellenverkehr mit dem Ziel, den übrigen Verkehr so gering wie möglich zu beeinträchtigen. Auf dem Streckenabschnitt gibt es viel zu beachten: Kinder der benachbarten Schule und vom Kindergarten queren. Velofahrer, die aus dem Wankdorf Center kommen, fädeln oft in grossem Tempo in den Strassenverkehr ein, an der Kehrrichtsammelstelle parken Autos, es gibt Fussgänger. Die Verkehrsdienste können die Lenker von Fahrzeugen, die unberechtigterweise in den Fahrverbotszonen fahren, zurechtweisen. Das gilt vor allem auf der Sempachstrasse. Und sie schauen darauf, dass ausserhalb des Baustellenperimeters keine langen Rückstaus entstehen.

Da ist sehr viel zu beachten. Was heisst das zum Beispiel für die Situation an der Polleranlage?

Wir sind auf die Argumente der Quartiervertretungen eingegangen und haben testweise einen Verkehrsdienst an die Polleranlage positioniert, damit er jedes Mal, wenn ein Lkw kommt, die Poller absenken und nach dem Durchfahren direkt wieder hochfahren kann. Er hat also geschaut, dass das Fahrverbot eingehalten wird. Langfristig, für die nächsten sechs Jahre, ist das jedoch keine Lösung. Also haben wir mit Quartiervertretern und der Stadt Bern als Eigentümerin dieser Strasse nach anderen Lösungen gesucht und auch eine gefunden. Es ist vorgesehen, die Poller mit einem Sender auszustatten. Dies ermöglicht den Chauffeuren, die Anlage über eine Fernbedienung künftig selbstständig zu bedienen.

Sie bezeichnen sich auch als Vermittlerin zwischen Bauherrschaft, Anwohnern und Firmen auf der Baustelle. Sie nehmen Kritik ernst und erarbeiten gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen. Gibt das gute Kompromisse?

Ja, eigentlich sehr, wie auch das vorangehende Bei-spiel zeigt. Wir haben im Vorfeld viele Gespräche geführt und tun das auch in den nächsten Jahren. Dialog ist normal. Unsere Konzepte müssen flexibel funktionieren. Wir sind mit einer anderen Schwierigkeit konfrontiert. Die Quartiervertretungen beteiligen sich engagiert am Austausch und kennen damit Hintergründe und Zwänge. Die Mehrheit der Menschen im Quartier hat jedoch keinen tiefen Einblick in die Abwägungsprozesse und Kompromisse. An einem Tag steht da ein Verkehrsdienst, am anderen Tag ist er wieder weg – wieso ist das so?, fragen sie sich dann. Mit Ausprobieren und Testbetrieb kann man stimmige Lösungen finden. Es muss aber nicht heissen, dass die aktuell beste Lösung auch in einem halben Jahr noch zweckmässig ist. Darum versuchen wir, agil zu bleiben und zu reagieren.

Gleichzeitig findet ein aktives Monitoring der Verkehrsflüsse statt. Wieso?

Um diese Zweckmässigkeit zu prüfen, brauchen wir Vergleichswerte. Damit wir eine Kontrolle über das Verkehrsaufkommen haben, zählen die Verkehrsdienste die Lastwagen. Ihre Rapporte werden regelmässig an den Bausitzungen thematisiert. Geplant ist auch, mit einer Videokamera die Ausfahrtssituation auf die Papiermühlestrasse zu dokumentieren. Solche Massnahmen helfen, detailliert zu verstehen, wie, wann und in welchem Umfang der Verkehr fliesst – dies unter Berücksichtigung von Homeoffice, Ferienzeit, Wochentagen, Wetter.

Sie haben ursprünglich für die Verkehrserschliessung sechs Varianten erarbeitet. Woran orientieren Sie sich?

Am Anfang sammeln wir Informationen von allen Beteiligten: Kanton, Stadt Bern, Bernmobil, Polizei, Vertreter Wankdorf Center, Anwohner, Schul- und Quartiervertreter. Unsere Planung muss nicht nur den Verkehr organisieren, sondern auch für Blaulichtorganisationen wie Feuerwehr, Polizei, Notfallärzte tauglich sein. Als wir mit der Planung begonnen haben, fanden zum Beispiel auch noch Grossanlässe im Stadion statt, die wir zu berücksichtigen hatten. Wir haben schnell gemerkt: Am besten wäre es, das alte Gebäude mit einem Helikopter wegzufliegen und das Neue hinzufliegen.

Wie meinen Sie das?

Die Situation vor Ort ist sehr beengt. Dort stehen, bis nah an die Baugrube, die Gebäude anderer Firmen und Organisationen wie CSL Behring, Bundesbehörden sowie ein Bildungszentrum. Dort arbeiten Menschen, sie kommen zu Fuss, per ÖV oder mit dem eigenen Pkw. In der Nähe sind ein Spielplatz, ein Kindergarten, Schulen, das Einkaufszentrum und das Stadion. All dies sind sehr sensible Umstände. Nachdem alle Beteiligten ihre Rahmenbedingungen genannt haben, versuche ich, daraus ein tragfähiges Konzept zu machen.

Im Dialog muss auch jeder bereit sein, Kompromisse zu machen?

Genau. Wir haben Lösungen gefunden, mit denen wir versuchen, das Quartier so wenig wie möglich zu belasten. Der Baustellenverkehr kann vom übergeordneten Netz der Kantonsstrassen auf die Achse Winkelriedstrasse – Sempachstrasse – Baustelle fahren. Der Strassenbereich am Stadion ist eine Mischfläche. Dort verkehren Fussgänger, Velofahrer und einzelne Pkw und man nimmt – weil man es so gewohnt ist – aufeinander Rücksicht. Die Situation haben wir aufgegriffen und einen leichten Eingriff gemacht, auf den die Lkw-Fahrer achten müssen: eine orange Fahrbahn-Markierung am Boden. Ausserdem haben wir den Verkehr von 30 auf 20 km/h reduziert – das gilt für alle. Es war uns wichtig, das flexible Miteinander nicht grundlegend einzuschränken.

Und welche Rolle spielt die Papiermühlestrasse in Ihrem Szenario?

Sie wird in einem behördenseitig vorgegebenen Zeitfenster zwischen 8:30 und 16:30 Uhr von grossen Fahrzeugen zur Ausfahrt genutzt, die auf der Baustelle nicht wenden können.

Wir sprechen über Verkehr, hinzu kommen aber auch Sicherheitsaspekte …

… die manchmal, weil sie so selbstverständlich sind, fast nicht mehr beachtet werden.

Welche sind das?

Die Feuerwehrzufahrten. Wir haben mit Feuerwehr und Polizei die Fluchtwege besprochen. Nicht nur für die Baustelle, sondern auch für die Nachbargebäude und für das Stadion. Die Durchfahrt zwischen Bauzaun und bwd Bildungszentrum ist zum Beispiel eine Haupteinfahrt für die Feuerwehr.

Wie beziehen Sie ökologische Aspekte oder ressourcenschonende Massnahmen in Ihre Arbeit ein?

Ein wichtiger Aspekt ist, die Zufahrtswege zur und von der Baustelle kurz zu halten und möglichst den Verkehr nicht durch Wohngebiete zu leiten. Wir konnten hier darauf verzichten, eine separate Zufahrt einzurichten und stattdessen das bestehende Strassennetz nutzen. Und um die Wurzeln der Baumgruppen nicht zu beschädigen, haben wir auf der Sempachstrasse nur Absperrgitter gestellt.

Wie ist die Resonanz bislang?

Aus den bisherigen Rückmeldungen darf ich ableiten – es funktioniert gut.

Was macht Ihnen an Ihrem Beruf immer wieder Freude?

Die Vielfältigkeit. Kein Projekt ist gleich. Ich entwickle jeden Tag Lösungen. Die Leute fahren über eine Strasse oder in einen Verkehrskreisel und wissen gar nicht, was ich mir dabei alles überlegt habe. Mir entspricht das. Nicht im Rampenlicht stehen, aber etwas Gutes leisten.

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Für Mensch und Umwelt

Die Bauherrschaft hat für diese Baustelle aufgrund der dichten Bebauung in der Nachbarschaft entschieden, eine bis zu 3,50 m hohe Wand aus naturbelassenem, ökologisch abbaubarem Vollholz aus der Schweiz aufzustellen.

Vollholz eignet sich, um die Umgebung vor Lärmemissionen zu schützen. Vor allem die Menschen, die in der Wirtschaftsschule in den Räumen im Erdgeschoss sowie in den Verwaltungsgebäuden auf dem Guisanplatz arbeiten, profitieren von Material und Überhöhe.

Die Position der Bauwände orientiert sich an den feuerpolizeilich vorgeschriebenen Fluchten; Abstände sind gemäss den Vorschriften geplant und mithilfe von Fahrversuchen getestet worden, weil an drei Seiten der Platz knapp ist – Richtung Wankdorf Center, CSL Behring und dem Gebäude der Bundespolizei. Ergebnis der zentimetergenauen Tests vor Ort ist, dass in einzelnen Bereichen die Bauwand nah an Baumgruppen beziehungsweise Fluchtwegen positioniert sein muss. Um das Wurzelwerk der Bäume zu schützen, sind die Wände mit Gegengewichten aus Beton stabilisiert statt im Boden verankert.

Neben der Funktionalität ist eine ästhetische Komponente des temporären Bauwerks seine präzise, detailreiche Ausführung: bis zur klar definierten Fugenbreite. Die Vollholzwand ist die erste architektonische Visitenkarte für das dahinter entstehende moderne Bürogebäude und sie umreisst den städtebaulichen Fussabdruck im Norden des Areals. Vorausgesetzt, sie bleibt unversprayt, wird sie schön altern.

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Sorgfältig zurückgebaut

Abbrucharbeiten erfolgen längst nicht mehr unkontrolliert mit der Abrissbirne – für den sicheren Rückbau wenden Spezialisten verschiedene Methoden an. Am Guisanplatz kam statt des lärmintensiven Spitzhammers eine Abbruchzange zum Einsatz.

Damit kann «Biss für Biss» zurückgebaut werden, was weniger Lärm- und Schmutzbelastung bedeutet. Ursprünglich war geplant, ein Schutzgerüst aufzustellen. Vor Ort hat sich dies jedoch als nicht ausreichende Massnahme erwiesen.

Höher, mobil und damit direkt an der Abbruchquelle platzierbar sind Abbruchvorhänge – 12 mal 15 Meter grosse Matten, die an einem Teleskopkran aufgehängt zum Einsatz kommen. Sie lenken herabfallende Teile ab, vermindern die Ausbreitung von Staub im näheren Umfeld und reduzieren deutlich Lärm.

Garagengebäude und Tankstelle sind sorgfältig zurückgebaut. Die Betonabbrüche von Erdgeschoss, Rampenbereich bei CSL Behring und im Untergeschoss kamen Ende Juni zum Abschluss. Im Juli, während der Sommerferien, wird als Letztes, über einen Zeitraum von vier Wochen, die Bodenplatte der Garage zurückgebaut.

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